Zeitleiste Philosophie/Psychologie |
Zeitraum | Vertreter | Bild | Strömung |
Seelenbegriff
Hauptwerke, Zitate,
Thesen
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Psychologisch
relevante Theorien/Paradigmen
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ab
Spätstein- zeit |
-- | -- | Primitiver Seelenbegriff, Seele als Hauch, Transzendenzvorstellungen | Ahnenkult, mit dem Tod verlässt
ein inneres Wesen (Vogel, Homunkulus …) den Körper. Reflexion der Vergänglichkeit. |
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460-377
v. Chr. |
Hippokrates | -- | Temperamentenlehre
(Körpersäfte- Theorie) |
Aufgriff medizinischen Denkens. Erste systematische Beschreibung einiger psychischer Erkrankungen. | |
427-347 v. Chr. |
Platon | Platonismus | Mythologische Seelenvorstellung (z.B. Seelenwanderung). Bestehen vor und Fortbestehen nach dem Tode, Wiedergeburt der Seele. Seele als Wertbegriff - normative Erwägungen. Gleichnis vom Pferdewagen (Wagenlenker, gutes u. böses Pferd). |
Dreiteilung der Seele: Denkender
Seelenteil (auch
Geistseele, herrscht über Körper und andere Seelenteile, Zuschreibung von Ideen und Körperbeherrschung, attributiert Weisheit und Gerechtigkeit, Lokalisation im Kopf, unsterblich), mutartiger Seelenteil (attributiert Tapferkeit, Sitz in der Brust, sterblich) und begehrender Seelenteil (attributiert Selbstbeherrschung, Sitz im Unterleib, sterblich. |
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384-322
v.Chr. |
Aristoteles | Aristotelismus | Werk "De anmina“
(peri psyches). Abkehr vom Unsterblichkeitspostulat der Seele. Annahme, dass alle lebendigen Wesen beseelt sind. Seele als zweckmäßig arbeitendes System. Die Seele kann nicht unabhängig vom Körper existieren. Operative Zentrale (nicht Sitz!) der Seele ist das Herz. |
Seele besteht aus den drei Teilen, die -in kausaler Bedingungshierarchie- jeweils emergente Grundleistungen erbringen: Geistseele (attributiert Denkvermögen: Verstand, Vernunft, Entscheidungen, sonst. mentale Fähigkeiten). Geteilt in wirkenden Verstand (unsterblich) und leidenden Verstand (sterblich). Sinnenseele (attributiert Sinnes-, Strebe- und Bewegungsvermögen: Wahrnehmung, Motorik, Motivation, Emotion, Vorstellung). Nährseele (attributiert Nährvermögen: Ernährung, Wachstum, Fortpflanzung, Reife, Verfall; bei allen Lebewesen vorhanden, sterblich). | |
372-287
v. Chr. |
Theophrastos | -- | Werk "Charaktere der Menschen" | Frühe Quelle für Persönlichkeitspsychologie. | |
106-43
v. Chr. |
M. T. Cicero | -- | Werk "De officiis" | Röm.
Eklektizismus, angewandte Philosophie/Psychologie, frühe Rollentheorie („Chargenrollen“) |
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1-65 | L. A. Seneca | -- | Werke "De vita beata", "De ira" | Tugendhafte Lebensführung, Emotionsbeherrschung | |
121-180 | Marc Aurel | -- | Werk "Selbstbetrachtungen" | Angewandte Philosophie | |
354-430 | Augustinus | Neoplatonismus, Kirchenlehre |
Werk
"Confessiones" Neuplatonischer, vom Christentum geprägter Einfluss. Hervorhebung der erkennenden Seelenfunktion. Frühe Beiträge zur Introspektion und zu bis heute aktuellen Fragestellungen des Wollens, Könnens und Handeln. 'Kirchenvater'. |
Seelenteilung in anmina rationalis (Geist und Willen), anima irrationalis (Triebe, Sinne und Wahrnehmung) und anima vegetativa (Lebenskraft). Seele wurde von Gott geschaffen, ist Lebensprinzip und unkörperlich, unausgedeht und unteilbar, bildet mit dem Leib eine Einheit und regiert über den Körper. Körper und Seele sind vergänglich, aber die Seele ist unsterblich. Gegenüberstellung von Kognition (Intellekt) und Emotion bzw. Volition (Triebe). Frühe Diskussion nach der (nach A.'s Meinung durch Gotteseinfluss modulierten) Willensfreiheit. Gnadenlehre: Abwendung von der Sinneswelt, denn nur der Geist ist rein. | |
980- 1037 | Avicenna (Ibn Sina) |
Aristotelismus | I.W. Rezeption der aristotelischen Lehre | Kommentierung
der aristotelischen Seelenlehre im lateinischen Westen. |
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1126-1198 | Averroes
(Ibn Ruschd) |
Aristotelismus | I.W. Rezeption der aristotelischen Lehre. Oft nur "der Kommentator" genannt | Kommentierung
der aristotelischen Seelenlehre im lateinischen Westen. |
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1200-1280 | Albertus Magnus | Aristotelismus | Werk "De homime" | Kommentierung der aristotelischen Seelenlehre. | |
1225-1274 | Thomas v. Aquin | Scholastik | Seele ist durch den Verstand (als Seelenteil) dazu fähig, in der Erkenntnis alles zu werden. Seele verliert nach dem Tod nicht wie der Körper das Sein, wird jedoch zur anima separata. | Seeleninterpretation angelehnt an Magnus und Aristoteles, was zeitweise auf großen Widerstand stieß: Geistigkeit und Unsterblichkeitder Seele. Schrittweise Durchsetzung einer gewissen Unabhängigkeit der Philosophie und der Aristotelesrezeption. Versuch, Glaube und Vernunft in Einklang zu bringen. Universalienstreit (Realismus vs. Ominalismus, also ob Dinge vor der Erfahrung existieren oder erst im Geiste entstehen) als Vorläufer der Rationalismus-Empirismus-Debatte. | |
1596-1650 | René Descartes | Rationalismus | "Ego
cogito, ergo sum" (Meiner
Existenz kann ich mir nur über das Denken /Zweifeln sicher
sein).
Elementarer Kirchenkonflikt. Mensch als Maschine. Kartesianischer Dualismus (r.extensa ./. r.cogitans). |
Cartesianische
Rationalseele. Beginn der Abwertung des metaphy- sischen Seelenbegriffs, radikale methodische Zweifel. Subjekt/Objekt-Spaltung in res cogitans (Mentales, Geist, immaterielle denkende Substanz) und res extensa (Physisches, Materie). Menschliche Körper und Tiere sind geistlose Automaten; die Seele ist kein Lebensprinzip mehr, sondern eine spezifische Klasse von Erfahrungs- und Denkobjekten. Erzeugung des Leib-Seele-Problems! |
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1632-1704 | John Locke | Empirismus | Werk "An Essay concerning Humane Understanding". Erstmalige Definition des Selbst-Begriffes i.Z. mit Bewußtsein | Ersatz
der res cogitans durch das empirische
Bewußtsein. "Vater des Liberalismus". Mensch kommt als "tabula rasa" (leeres Blatt) auf die Welt. |
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1679-1754 | Christian Wolff | Rationalismus | Leibnitzianer.
Bewußtsein als
Nachfolgebegriff für Seele (Übersetzung der cartesischen "cogitatio") |
I.W.
gespeist aus der Scholastik und Cartesik. Systematische Beschäftigung mit dem "Seelenorgan", Unterscheidung zwischen empirischer und rationaler Psychologie. |
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1711-1776 | David Hume | Empirismus | Werk u.a. "A Treatise of Human Nature" | Gesellschaftsverbessernde Philosophie, Zurückweisung dogmatischer metaphysischer Annahmen. | |
1724-1804 | Immanuel Kant | Empirismus, Skeptizismus |
Werke u.a.: "Kritik der reinen Vernunft", "Kritik der praktischen Vernunft", "Kritik der Urteilskraft" | Zurückweisung
von Formulierungen wie "Sitz der Seele", weil die Seele zeitlich (=Inneres) statt räumlich (=Äußerers) ist. Fundamentale Unterscheidung zwischen Erscheinung (Phainomenon) und Ding an sich (Noumenon). Ersatz der cartesischen Denkseele durch das transzendental-logische Ich. Das Selbst als transzendentales Subjekt ist nur im bloßen Denken gegeben. Zurückweisung der mathematischen Erfaßbarkeit der (empirischen) Seelenlehre. Ablehnung eines Rationalismus. |
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1798-1857 | Auguste Comte | Positivismus | Universalgesetze der Wissenschaften | Mitbegründern der Soziologie, Religionskritik. | |
1801-1887 | G. T. Fechner | Materialismus | Elemente der Psychophysik | Anwendung von mathematischen Methoden auf die Psychologie. | |
1821-1894 | H. v. Helmholtz | Materialismus | 'Antivitalisteneid' | Ablehnung
einer eigenständigen 'Vis vitalis'.
Das Lebendige kann allein mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten erklärt werden. |
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1828-1875 | Friedrich. A. Lange | Empirismus Neukantianer |
"Psychologie ohne Seele" | Materialismuskritik | |
1832-1920 | Wilhelm Wundt | Leipziger
Schule, Voluntarismus |
Begründer der "Leipziger Schule" | Adaptation des Helmholtz-Programms,
Einrichtung eines psychologi- schen Labors Instutionalisierung der Psychologie als eigenständiges Universitätsfach. |
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1833-1911 | Wilhelm Dilthey | "Lebensphilo- sophie" |
"Man kann Seelisches nur verstehen, nicht erklären", Ablösung des Materialismus. | Geisteswissenschaftlich
orientierte Psychologie (in Abgrenzung zur kultur-, sozial und naturwissenschaftlichen Methodik) . |
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1838-1917 | Franz Brentano | -- | Gegliederte Einheit des Bewusstseins | Akteur im Psychologismusstreit. Scharfe Unterscheidung psychischer und physischer Phänomene. Intentionalität des Psychischen. Dasjenige, das vorgestellt wird, ist als intentionales Objekt im Kopf, aber nicht als reales. Der semantische Gehalt von Mentalem wiederum ist nach logischen Regeln und Wahrheitskriterien zu bewerten, die nicht auf psychologische Regularitäten reduziert werden können. | |
1842-1910 | William James | Pragmatismus | Werk „Principles
of Psychology“. „I“ ist im Gegensatz zum „me“ keine Erfahrungsgegebenheit. |
Ausdifferenzierung,
Präzisierung und Weiterführung der Gedanken von Descartes, Locke, Hume und Kant. Nahm Grundideen des Behaviorismus und der Gestalttheorie vorweg. |
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1849-1936 | Iwan P. Pawlow | Behaviorismus | Verhaltensforschung, Grundsteinlegung für den Behaviorismus. | Entdecker des Prinzips der Klassischen Konditionierung, Hunde-Experiment. | |
1850-1909 | Hermann Ebbinghaus | -- | Begründer der experimentellen des Gedächtnisses und Entdecker der Lern- und Vergessenskurve, Assoziationsprinzip. | Überzeugung, Experimente lassen sich auf "höhere geistige Prozesse" wie das Gedächtnis anwenden. Disput mit W. Dilthey über den Vorzug der experimentellen Psychologie vor der verstehenden Psychologie. | |
1856-1939 | Sigmund Freud | Psychoanalyse | Werke
u.a.: "Das Ich und
das Es", "Die Traumdeutung" |
Begründer der klassischen Psychoanalyse. Überbetonung des Unterbewußten. Traumdeutung (empirisch nicht haltbar). | |
1859-1938 | Edmund Husserl | Phänomenologie | Werk u.a.: "Logische Untersuchungen" | Akteur im Psychologismusstreit. Begründer der Phänomenologie (Philosophie als strenge Wissenschaft, nicht Begriffe sind Gegenstand der Psychologie, sondern das in Erfahrung Gegebene=Phänomene). Erkenntnis ist zwar an psychische und physiologische Prozesse gebunden, sie ist aber nicht mit diesen identisch. Aus einem empirisch psychologischen Satz kann niemals eine logische Norm abgeleitet werden. Empirische Sätze sind nur wahrscheinlich und können falsifiziert werden. | |
1871-1938 | William Stern | Personalismus | Werk u.a.: "Allgemeine Psychologie auf personalistischer Grundlage" | Begründer der Differentiellen Psychologie und Erfinder des IQ. | |
1874 - 1949 | Edward L. Thorndike | Behaviorismus | Theorie des Lernen durch trial and error. | Lernexperimente mit Katzen (Käfigexperimente). | |
1878-1958 | John B. Watson | Behaviorismus | Jegliches
Verhalten beruht auf Reiz- Reaktions -Verknüpfungen. |
Begründer
des Behaviorismus,
strikte Ablehnung der Introspektion und der unkritischen Verwendung von Wörtern, die Mentales bezeichnen. Umstrittenes "Little Albert"-Experiment als Übertragung des Pawlowschen Konditionierungsmodells auf den Menschen. |
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1879-1963 | Karl Bühler | Gestaltpsycho- logie, Würz- burger Schule |
Sprachtheorie | Gestalpsychologie | |
1880-1943 | Max Wertheimer | Gestaltpsycho- logie |
"Das
Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile". |
Gestalttheorie (Begründer mit Wolfgang Köhler und Kurt Koffka), "Rebellion" gegen Wundts Molekularismus. | |
1889-1951 | Ludwig Wittgenstein | -- | -- | Thematisiert
die Probleme bei der Unterscheidung zwischen Innen und Außen, mahnt den kritischen Umgang mit Mentales bezeichnender Sprache hin. |
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1890-1947 | Kurt T. Lewin | Gestaltpsycho- logie |
Feldtheorie. Einbeziehung des Lebensraumes: V = f (P, U) = f(Lr). | Gestaltpsychologie.
Mit M. Wertheimer und W. Köhler Hauptbegründer der G. Ablehnung eines Elementarismus. |
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1896-1980 | Jean Piaget | Konstruktivismus | Genetische Epistemologie | Kritik
des klassischen (S-R) Behaviorismus, Kognitive Entwicklungstheorie. |
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1899-1979 | Wolfgang Metzger | Gestaltpsycho- logie, Berliner Schule |
Gestalttheorie, „Jeder
Reiz ist ein Systemreiz“ |
Gestaltpsychologie der "zweiten Generation". | |
1904-1990 | B. F. Skinner | Behaviorismus | Operante Konditionierung | Käfig-Lernexperiment
(meist Tauben) in Anlehnung an Watson und Pawlow. |
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1905-1967 | George Kelly | Konstruktivismus | Konstrukttheorie, "Der Mensch als Wissenschaftler" | Vorwegnahme
der "kognitiven Wende", Psychologe ist (im Gegensatz zu Psychoanalyse und Behaviorismus) nicht "Wissender", sondern Gleichberechtigter des Klienten. |
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1928-2012 | Ulric Neisser | Konstruktivismus | Kognitive Psychologie | Einleitung
der "kognitiven Wende",
später jedoch auch Kritik gegenüber der Forschungsmethoden der k. P. |
Diese Systematisierung entstand im Rahmen der Bearbeitung des Psychologiesemesters "Einführung in die Psychologie und ihre Geschichte". Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Fehlerfreiheit. Die Zusammenstellung ist kein Diensteangebot im Sinne des Telemediengesetzes, sondern eine private Datensammlung. Auch wird kein wörtlicher Lehrinhalt, sondern die jeweils eigene Interpretation wiedergegeben. Die verwendeten Bilder wurden dem Wikimedia Commons - the free media repository entnommen. Über Hinweise zu Fehlern oder Unstimmigkeiten freue ich mich sehr! Die Seite darf gern verlinkt werden, bitte jedoch mit Angabe der Quelle. Torsten Horlbeck |